Mehr als zwanzig Jahre ist es her, dass Monika Müller an ihrer alten Schule war. „1997 habe ich hier mit siebzehn Jahren meinen Realschulabschluss gemacht“, erinnert sie sich lachend. Es folgte die Ausbildung zur Friseurin, die Meisterschule, dann übernahm sie die Filialleitung eines Salons, verdiente richtig gut. „Aber Geld ist nicht alles. Also habe ich mich vor acht Jahren als Ausbilderin bei der HWK beworben“, erzählt sie und ergänzt: „Aus der Ausbilderin-Stelle wurde nichts. Die HWK suchte aber jemanden für Projekttätigkeiten.“
Seit nunmehr acht Jahren ist Monika Müller Projektmitarbeiterin bei der HWK. Das Wagnis ihres beruflichen Neuanfangs hat sich für sie gelohnt. Federführend betreut sie das vom Bund geförderte Programm „Passgenaue Besetzung“. Es richtet sich an Handwerksbetriebe, die Auszubildende einstellen möchten. Der Fachkräftemangel sei nach wie vor enorm. Müllers Aufgabe sei es daher, durch eine gezielte Vorabberatung Betriebe und Azubis „passgenau“ zusammenzuführen. Kein leichtes Unterfangen – vor allem in Zeiten der Pandemie. Doch Müller liebt die Herausforderung und sie sei gut vernetzt. Aus ihren gemachten Erfahrungen erwuchs der Gedanke, Betriebe und potentielle Auszubildende direkt vor Ort zusammenzubringen.
„HWK on tour“ heißt das neue Berufswahlorientierungsformat, das ortsansässige Betriebe mit Schüler*innen in der Schule in direkten Kontakt miteinander bringt – „und zwar praxisbezogen, damit die Schüler wissen, was sie später erwartet“, erläutert Müller. „Ich freue mich sehr, dass der Pilot an meiner alten Schule stattfindet. Es gab viele schöne Zufälle, die gepasst haben, und so bin ich heute mit meinem neuen Programm in der alten Heimat.“
Insgesamt drei Betriebe (Bäckerei Schäfer, Herz Hair Design und Daniel Brucculeri Brocco’s Malerarbeiten) konnte Müller für die Premiere an der AHS gewinnen, die als Berufswahlsiegel-Schule der ideale Ort dafür ist, wie Lehrerin Lisa Schuler vom Berufsorientierungsteam der AHS stolz betont. Mit von der Partie ist auch ihr HWK-Kollege Steffen Sersch, der als Berater für das ebenfalls vom Bund geförderte Projekt „Willkommenslotsen“ an der HKW zuständig ist. Er unterstützt Unternehmen bei der betrieblichen Integration Geflüchteter. Doch heute springt der Maurer-Meister kurzerhand für den krankheitsbedingt ausgefallenen Lackiererbetrieb ein und bietet den Achtklässlern im Rahmen einer Baustellenbegehung direkte Einblicke in die vielfältigen Jobs in der Baubranche. „In Deutschland gibt es etwa 340 Berufe. Im Handwerk etwa 130 Berufe, davon kann man ca. 70 im Saarland erlernen“, erklärt er, bevor er verschiedene typische Berufe des Baugewerbes vorstellt. „Man muss sauber arbeiten und pünktlich sein. Die Kunden sind verwöhnt und sie zahlen viel Geld, wenn sie außergewöhnliche Sachen haben wollen“, sagt er.
Sauberkeit und Pünktlichkeit sind allgemeingültige Tugenden aller Zünfte – natürlich auch im Bäckerhandwerk. Die Bäckerei Schaefer ist familiengeführt, hat ihren Firmensitz in Illingen und verfügt derzeit über 150 Mitarbeiter*innen verteilt auf dreizehn Filialen. Susanne Sticher, die Tochter des geschäftsführenden Bäckermeisters Roland Schaefer, ist eine alte Bekannte von Monika Müller. Die gelernte Bankkaufrau ist Teil der Geschäftsleitung und bestens vorbereitet. Zusammen mit ihren fünf Mitarbeitern stellt sie in der Schulküche die Berufe Bäcker, Konditor und Verkäufer vor – bevor es gemeinsam Laugenstangen zu backen gilt. Ihr Credo: „Handwerk ist die Zukunft. Handwerk braucht man. Handwerk wird es immer geben. Handwerk ist krisensicher.“ Mitarbeiter Kevin betont live und im gezeigten Imagefilm: „Ich arbeite lieber mit den Händen. Es ist eine große Zufriedenheit, wenn ich die Produkte sehen, riechen und schmecken kann. Außerdem muss man nicht mehr so schwer wie früher arbeiten, weil wir moderne Technik nutzen.“ Auch Sticher weiß ein Lied von den Vorurteilen und Vorbehalten gegenüber dem Handwerk zu singen. „Unsere Branche wird völlig unterschätzt. Viele Eltern halten ihre Kinder dazu an, hohe Abschlüsse zu machen, da bleibt das Handwerk auf der Strecke“, weiß sie. Jährlich bildet die Bäckerei Schaefer zwölf Azubis aus – außerdem gibt es gut bezahlte Aushilfs- und Ferienjobs. Die moderne Webseite gibt Auskunft und macht die Bewerbung einfach. „Bäcker hat mir am meisten gefallen, weil ich jetzt weiß, was man machen muss. Ich überlege mir, mich nach der neunten Klasse zu bewerben“, überlegt Achtklässlerin Sara.
Auch Friseurmeister Stefan Herz hat zumindest einen Kandidaten ausgemacht, der eine Ausbildung ernsthaft erwägt. „Ich interessiere mich für Haare und werde ein Praktikum beim Friseur machen“, sagt Brand. Und das ist gut, denn „viele Schüler haben eine falsche Vorstellung vom Beruf.“, weiß Herz und gibt der Gruppe, die sich im Frisieren ausprobieren durfte, mit auf den Weg: „Viel Glück bei der Berufswahl. Macht am besten das, was euch Spaß macht, nur dann werdet ihr richtig gut.“
„Mir hat es gefallen, weil es abwechslungsreich war und man was machen kann. Ich würde gerne später als Zeitsoldat bei der Bundeswehr arbeiten“, sagt Steven. Auch wenn nicht alle Schüler*innen gleich den passenden Beruf gefunden haben, so zeigte der Vormittag, wie wertvoll und hilfreich die Einblicke waren, um Vorbehalte und Ängste abzubauen, die sich leider immer noch hartnäckig halten. „Azubis zu finden, ist immer noch ein Problem, deshalb ist es uns so wichtig, die Vernetzung unserer Schule mit den Betrieben voranzutreiben, vor allem mit den örtlichen Betrieben“, betont Lisa Schuler, die ebenso wie die beiden HWK-Mitarbeiter ein positives Fazit zieht. „Influencer wollen alle werden, aber das ist sehr schwer – im Gegensatz zum Handwerk. Handwerk liegt in der Natur des Menschen. Da ist für jeden was dabei, deshalb möchte ich euch zu einer Ausbildung ermutigen. Die HWK hilft euch beim Suchen und Finden von Praktikums- und Ausbildungsplätzen. Nutzt das Angebot“, verabschiedet sich Müller vom Plenum.
Weitere Infos
Azubi-Hotline: 0681 5 809 809
Text: David Lemm, Fotos: Monika Müller