Von richtigen Entscheidungen zur rechten Zeit… Häftling aus der JVA Ottweiler im Gespräch mit Achtklässlern der Anton Hansen-Gemeinschaftsschule

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„Jetzt ist die beste Zeit eures Lebens, und die solltet ihr in Freiheit verbringen. Dafür ist es wichtig, die richtigen Entscheidungen zu treffen und einen guten Schulabschluss zu machen, mit dem ihr eure Zukunft so gestalten könnt, wie ihr es wollt.“ Weise Worte eines Anfang-Zwanzigjährigen. M. hat die bittere Erfahrung machen müssen, für seine falschen Entscheidungen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt zu werden. Weil er vor vier Jahren mit Drogen gedealt und einen anderen Menschen fast getötet hat, ist er voraussichtlich noch bis November dieses Jahres in der JVA Ottweiler inhaftiert. Eine prägende Zeit, von der er einerseits zwar heilfroh ist, wenn sie vorbei ist, die er andererseits jedoch auch optimal für sich genutzt hat. So hat er zum Beispiel eine Schreinerausbildung absolviert. Im nächsten Monat darf er deshalb sogar die Meisterausbildung an der HWK beginnen. Auch sonst hat er dankbar alle Unterstützungsangebote angenommen, die er im Gefängnis bekommen hat, weswegen er mittlerweile in den Genuss einiger Lockerungen kommt. Dazu gehören unter anderem Friseurtermine in der Stadt und Restaurantbesuche mit seiner Familie. Und da M. für sich den Entschluss gefasst hat, nie mehr in seinem Leben vom rechten Weg abzubiegen, hat er sich spontan bereiterklärt, anderen Jugendlichen seine Geschichte zu erzählen um sie zu sensibilisieren, zu warnen und sie zum Nachdenken zu bringen.

Deshalb führt ihn sein Weg am Montagmorgen in die ebenfalls in Ottweiler gelegene Anton Hansen-Gemeinschaftsschule, wo er sich den vielen, teilweise auch schonungslos persönlichen Fragen der Achtklässler stellen will. „Bereuen Sie Ihre Straftat?“ „Wie sieht Ihr Alltag in der JVA aus?“ „Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie verurteilt wurden?“ „Wie fühlt es sich an, eingesperrt zu sein?“ „Was machen Sie als Erstes, wenn Sie wieder in Freiheit sind?“ Das sind nur ein paar der Fragen, die die Schüler*innen zuvor mit ihren Klassenlehrer*innen gesammelt haben und für deren Antworten sie sich brennend interessieren. M. beantwortet sie alle, erstaunt, beeindruckt, fesselt und überrascht damit seine jungen Zuhörer.

Begleitet wird M. an diesem Morgen von Dirk Drumm vom Kompetenzzentrum der Justiz für ambulante Resozialisierung und Opferhilfe, kurz „KARO“. Er unterstützt M. und bietet auch den anderen jugendlichen Häftlingen gezielte und passgenaue Hilfe zur Vorbereitung der Entlassung an. „Wir können die jungen Menschen nicht am Tag ihrer Entlassung einfach vor die Tür setzen,“ erklärt er. „Deshalb helfen wir nicht nur bei Job- und Wohnungssuche, sondern gehen schon kleinere erste Schritte in Richtung Freiheit mit ihnen gemeinsam.“

Sich den schonungslosen Fragen der 14-jährigen AHS-Schüler*innen zu stellen ist ein solcher kleiner Schritt und somit auch ein Teil des Resozialisierungsprozesses. Immerhin ist M. auf seiner Einzelzelle seit Jahren auch mal über Stunden alleine. Mit einer zwanzigköpfigen Schulklasse ein offenes Gespräch zu führen ist da ein gewagter Schritt. „Die waren alle höflich und hatten eine ganz falsche Vorstellung vom Leben in einem Gefängnis. Das ist nicht so, wie man es aus Fernsehserien kennt,“ reflektiert M. nach der Gesprächsrunde.

Die Schüler*innen sind froh, einmal eine solch außergewöhnliche Chance und eine derart authentische Begegnung gehabt zu haben. Sie sind überzeugt, dass M. aus seiner Erfahrung gelernt hat und trauen ihm zu, dass er seinen Weg gehen wird. „Ich glaube, es ist gut, dass er ein ganz konkretes Ziel hat, was er nach dem Gefängnis machen wird,“ meint Jean. Sie glaubt, dass familiärer Rückhalt sehr wichtig ist.

„Begegnungen wie diese bewirken mehr als warnende Worte von Lehrkräften oder Eltern,“ erläutert Schulleiterin Katja Strauß das Ziel des Projekts. „Jemand, der über eigene Erfahrungen mit den Jugendlichen spricht und ihre Sehnsüchte und Vorstellungen vom Leben kennt, hat einen kürzeren Draht und kann sie somit eher dazu bewegen, darüber nachzudenken, wie man Träume in die Realität umsetzen kann und was man besser bleiben lässt. Was unsere Jugendlichen in social media und im TV sehen, hat mit der realen Welt oft wenig zu tun.“