„Hass im Netz geht uns alle an!“ Denn er ist im digitalen Raum allgegenwärtig, sollte man ergänzen. Genau das zeigt sich bereits im ersten Teil des Workshops „Hatespeech im Internet“. Geleitet wird er von Marie Velten (20) und Florian Klein (30), beide Referenten vom Adolf-Bender-Zentrum. „Wer nutzt Instagram? Wer TikTok? Wie nutzt ihr das?“, lauten die ersten Fragen. Um die Schüler*innen der 7b besser kennenzulernen, führen sie mehrere Abfragen zur Nutzung sozialer Medien durch. Die Schüler*innen beantworten diese Fragen durch entsprechende Positionierungen im Klassenraum. „Wer postet selber? Wer kennt Personen, die von Hasskommentaren betroffen waren?“ Die Methode „Lebendige Statistik“ zeigt nicht nur den Referent*innen, sondern ebenso den Schüler*innen selbst, wo sie stehen. „Die Ergebnisse bei der Abfrage decken sich mit den Rückmeldungen aus anderen Workshops. Die meisten haben eine Konsumhaltung. Nur wenige posten, die aber wiederum viel“, lautet die Analyse von Klein.
Dass es bei den Schüler*innen bereits ein Bewusstsein für unrechtmäßige und womöglich strafbare Handlungen im Internet gibt, zeigt das anschließende Gruppengespräch im Stuhlkreis. „Ein Foto von jemandem posten ohne sein Wissen“, hält Sulina für heikel und Julian meint dazu: „Etwas Privates von einem anderen veröffentlichen genügt schon.“ Dozent Klein bestätigt die grundsätzliche Richtigkeit dieser Annahmen und wird in seiner Präsentation mit den entsprechenden Paragraphen konkret: „Strafrechtliche Verfolgung in Form von Geld- und Freiheitsstrafen können nach sich ziehen: Beleidigung, Nachrede und Verleumdung (Sachen, die nicht stimmen, Unwahrheiten, Fake News), Nötigung (Gewalt und Schaden androhen), Bedrohung, Erpressung, Nachstellung/Stalking und Verletzung des Rechts am eigenen Bild (Kunsturheberrechtsgesetz).“
Allesamt keine Kavaliersdelikte und dennoch trifft der Hass im Netz jeden – unabhängig vom Alter und von der Followerzahl. Hier ein paar Beispiele, mit der die Klasse konfrontiert wird: „Du verfickte Schwuchtel!“, „Geh’ sterben!“ usw. Die Hatespeeches richten sich gezielt gegen Personen, die einer Gruppe (oftmals einer Minderheit) angehören. Manchmal rufen die sogenannten Hater offen zur Gewalt auf. Obwohl Hatespeeches strafbar und verboten sind, findet man sie problemlos in sozialen Medien. Jeder kennt sie, viele lesen, aber nur wenige melden sie. Wie kann das sein? Zum einen sind die Hater in der Regel anonym und somit vermeintlich geschützt – eine digitale Beleidigung geht ihnen leichter von der Zunge, als wenn sie es der anwesenden Person direkt ins Gesicht sagen müssten.
Zum anderen sind die Betroffenen oft eingeschüchtert, schämen sich, wissen sich nicht zu helfen und schweigen. „Wenn sich Betroffene aus der digitalen Diskussion zurückziehen, haben Hass und Hetze gewonnen“, gibt Dozentin Velten zu bedenken. „Deshalb sind wir heute hier. Wir zeigen euch Handlungsmöglichkeiten auf. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber es gibt einen Unterschied zwischen Sagen und Beleidigen. Ihr solltet euch immer wieder die Fragen stellen: Wie fühl ich mich oder die von Hatespeech betroffenen Personen damit? Ist da eine Grenze überschritten?“, fasst Dozent Klein das Anliegen des Workshops zusammen.
Anhand von didaktisch aufbereiten Fallbeispielen zu Hatespeeches und Cybermobbing werden die Schüler*innen mit Handlungsmöglichkeiten vertraut gemacht und versetzen sich in die Lage der Betroffenen, übernehmen deren Perspektive und spüren deren Emotionen nach. Denn zum Verstehen des Phänomens genügt es keineswegs sich auf die Hater zu konzentrieren, obwohl sie und nicht die Betroffenen das Problem darstellen. Aber die Perspektivübernahme stärkt die Gemeinschaft und das Gefühl der Verantwortung füreinander – Stichwort Zivilcourage, auch im Netz. Klassenlehrer Lukas Ost ist zufrieden: Der Workshop und das Lehrmaterial waren sehr ansprechend. Die Schüler*innen wurden auf der emotionalen Ebene abgeholt, auf Augenhöhe.“ Marie-Sophie, selber in der Vergangenheit von Mobbing betroffen, lobt: „Ich fand den Workshop gut, weil die anderen gesehen haben, wie es der Personen geht und was das für Verletzungen sind.“
Text + Fotos: David Lemm